In den letzten Jahren haben sich LiDAR-Sensoren in verschiedenen Bereichen als Schlüsseltechnologie erwiesen. Ebenso sind rund um die komplexe Technologie aber auch Missverständnisse und Mythen entstanden. Hier ist der zweite Teil der Artikel Serie, der einige der gängigsten LiDAR-Mythen aufgreift und widerlegt.
Den ersten Teil der Serie können Sie hier nachlesen.
1. Mythos: LiDAR bietet die gleiche Privatsphäre wie Kameras
Im Gegensatz zu Kameras zeichnet LiDAR keine Farbinformationen auf. Die Technologie erfasst stattdessen 3D-Abstandsdaten in der Punktwolke und erzeugt so ein anonymisiertes Bild der gesamten Szene unter Wahrung der Privatsphäre.
Mit dem zunehmenden Einsatz von Sensorik im öffentlichen Raum sind auch die Bedenken bezüglich des Datenschutzes gestiegen. So haben Smart-City-Projekte weltweit Kontroversen über die Datenerfassung und -verwendung ausgelöst, die so weit gingen, dass die Europäische Union sogar ein Verbot von Gesichtserkennungstechnologie im öffentlichen Raum in Erwägung gezogen hat, bis die Behörden ihren Einsatz untersuchen und regulieren können.
Diese Bedenken drehen sich hauptsächlich um die Möglichkeit, dass Aufnahmen von Personen erfasst und gespeichert werden könnten, um sie anschließend zur Identifizierung von Individuen durch Gesichtserkennung zu nutzen. Während die Debatte um die Vorteile von Überwachungs- und Identifizierungsanwendungen eine wichtige und komplizierte gesellschaftliche Diskussion ist und sein muss, kann die LiDAR-Technologie einen entscheidenden Part dabei spielen, Datenschutzbedenken auszuräumen.
So kann LiDAR Fußgänger, Fahrzeuge und andere Objekte mit einem hohen Maß an Zuverlässigkeit und Präzision erkennen und verfolgen. Dies geschieht mit Hilfe von Algorithmen, die die Punktwolkendaten auswerten. Diese Daten enthalten jedoch keine Farbinformationen, sondern 3D-Abstandsdaten. So entsteht ein anonymisiertes 3D-Bild der gesamten Szene, wodurch der Sensor sich für datenschutzsensible Anwendungen wie Perimetersicherheit, Crowd Management oder Personenzählung ideal eignet.
Mehr darüber, wie LiDAR-Sensoren Daten anonym erfassen und auswerten, können Sie in diesem Blogbeitrag lesen.
2. Mythos: LiDAR ist für das menschliche Auge gefährlich
Jeder erhältliche LiDAR-Sensor muss der Laserklasse 1 entsprechen und ist daher ungefährlich für das menschliche Auge.
Entgegen einer der vorherrschenden LiDAR-Mythen basiert die Augensicherheit bei LiDAR in der Regel auf einer Kombination von Faktoren und nicht nur auf der Wellenlänge des Lasers. So hängt die Sicherheitseinstufung eines LiDAR-Sensors stark von der Spitzenleistung des Lasers ab, die sich wiederum direkt auf die Reichweite der Sensoren für eine bestimmte Wellenlänge auswirkt. Im Allgemeinen ist das menschliche Auge empfindlicher gegenüber Lasern mit einer Wellenlänge von 905 nm. Daher wird dieser spezielle Lasertyp mit niedriger Spitzenleistung betrieben, um im augensicheren Bereich zu bleiben.
Im Gegensatz dazu können LiDAR-Sensoren, die über Laserquellen mit einer Wellenlänge von 1550 nm verfügen, mit einer höheren Leistung pulsen und gleichzeitig innerhalb des augensicheren Bereichs bleiben. Durch die höhere Leistung erreichen diese Sensoren in vielen Fällen eine größere Reichweite als solche, 905-nm-Laser verwenden. Dies liegt daran, dass die Hornhaut, die Linse und der Kammerwasser- und Glaskörper des Auges Wellenlängen über 1400 nm effektiv absorbieren, wodurch das Risiko einer Netzhautschädigung bei längeren Wellenlängen verringert wird.
Entscheidend für LiDAR-Sensoren ist, dass diese augensichere Kombination von Spitzenleistung im Verhältnis zur Wellenlänge durch die Norm für augensichere Laser der Klasse 1 (IEC 60825-1:2014) definiert ist. Jeder Laserhersteller im Wellenlängenbereich von 180 nm bis 1 mm ist an diese Norm gebunden, wodurch ein sicherer Betrieb garantiert wird. Durch die Einhaltung dieser Vorschrift muss also jeder LiDAR-Sensor sicher sein!
Online sind zahlreiche Diskussionen zu lesen, die debattieren, was passiert, wenn mehrere Fahrzeuge mit LiDAR-Sensoren an einer Kreuzung stehen und mit der gleichen Wellenlänge pulsen. Könnten sich die Lasersignale bündeln und einen Laserstrahl entstehen lassen, der nicht mehr augensicher ist? Theoretisch gesehen ist es möglich, dass sich die Laser sich konstruktiv überlagern und in ihrer Amplitude erhöhen, was bedeutet, dass die Spitzenleistung (Amplitude) der Pulse zunehmen und möglicherweise den augensicheren Bereich übersteigen würde. In der Realität ist dies jedoch praktisch unmöglich. Das liegt daran, dass die anderen LiDAR-Sensoren einen Laserpuls mit einer perfekt abgestimmten Kombination von Faktoren wie Pulsdauer, Divergenzwinkel und Belichtungsrichtung in Bezug auf die Position des menschlichen Auges senden müsste, damit ein hochenergetischer Laser erzeugt werden könnte. Dies macht es sehr unwahrscheinlich, dass sich zwei oder mehr LiDAR-Signale an einem Punkt in Raum und Zeit überschneiden.
3. Mythos: iPhone LiDAR-Sensoren sind die gleichen Sensoren wie beispielsweise die Blickfeld LiDAR-Sensoren
Aufgrund der verwendeten LiDAR-Technologie, des Scanbereichs und der Auflösung bietet der iPhone LiDAR-Sensor nicht die gleiche Funktionalität wie ein herkömmliche Scanning-LiDAR.
Die jüngste Vorstellung des iPhone 12 Pro und des iPad pro sorgte für Schlagzeilen, als Apple den Einbau eines LiDAR in seine neuesten Geräte verkündete. Wie funktionieren diese Senosren? iPhone-LiDAR-Sensoren erstellen in kleinem Maßstab 3D-Karten von Objekten, Personen und der Umgebung, indem sie Wellen von Lichtimpulsen in einem Sprühnebel von Infrarot-Punkten aussenden. Diese Punkte messen den Abstand zueinander, erzeugen ein „Punktfeld“ und generieren ein Netz von Dimensionen. Wenn Ihnen das Funktionsprinzip bekannt vorkommt, liegt das daran, dass es sich im Grunde nur um ein Update der TrueDepth-Kamera Face ID-Technologie handelt, die in der Vergangenheit verwendet wurde.
Aber sind diese LiDAR-Sensoren vergleichbar mit der konventionellen LiDAR-Technologie? Der iPhone-LiDAR verwendet eine Flash- und keine Scanning-Technologie, das heißt das gesamte Sichtfeld wird mit einem einzigen gepulsten und breit divergierenden Laserstrahl beleuchtet. Diese Technologie wird zwar auch in herkömmlichen LiDAR-Sensoren vereinzelt angewandt, steht aber im Kontrast zu den Scanning LiDAR-Sensoren, die mit kollimierten Laserstrahlen jeweils einzelne Punkte im Sichtfeld beleuchten.
Der markanteste Unterschied zwischen einem herkömmlichen LiDAR und einem iPhone-LiDAR ist die Reichweite: Die LiDAR-Nutzung jenseits von Consumer-Produkten erfordert eine höhere Leistung in Bezug auf Reichweite und Auflösung als das iPhone. Der Cube 1 von Blickfeld zum Beispiel hat eine Reichweite von bis zu 250 m, während der iPhone LiDAR nur bis zu 5 m-10 m erfasst.
Was die Auflösung angeht, scannt ein typischer Scanning-LiDAR wie der Cube 1 mehr als 500 Scanlinien pro Sekunde, erzeugt hunderttausende Datenpunkte und folglich eine sehr dichte Punktwolke. Im Vergleich dazu misst der iPhone-LiDAR Berichten zufolge nur bis zu 500 Datenpunkte pro Frame und hat daher eine vergleichsweise geringere Auflösung.
Die groß angelegte Kommerzialisierung von LiDAR durch das iPhone hat die Technologie zweifellos ins Rampenlicht gerückt und den Bekanntheitsgrad beim Verbraucher erhöht. Und genau wie bei Kameras wird es auch das gesamte Halbleiter-Ökosystem in Schwung bringen, um eine robustere Infrastruktur für Optik und Elektronik zu schaffen, die von anderen LiDAR-Anwendungen genutzt werden kann. An sich verbessert der iPhone LiDAR sicherlich die Fokusgeschwindigkeit und -genauigkeit der Kamera bei schlechten Lichtverhältnissen. Aber im Moment kann es noch nicht in groß angelegten Anwendungen wie autonomen Fahrzeugen oder HD-Kartenerstellung eingesetzt werden.
4. Mythos: LiDAR-Sensoren haben wenige Anwendungsbereiche
Vom Fuhrparkmanagement über die Landwirtschaft und den Sicherheitsbereich bis hin zu Smart-City-Anwendungen – den LiDAR-Anwendungen sind keine Grenzen gesetzt!
Obwohl die Integration von LiDAR-Sensoren in iPhones diese Aussage bereits in Frage zu stellen beginnt, gibt es immer noch die allgemeine Wahrnehmung, dass LiDAR eher eine Nischentechnologie ist und nur eine Handvoll Anwendungen hat. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Sensorik in der Mainstream-Presse und in Diskussionen über die Technologie im Allgemeinen nur mit autonomem Fahren in Verbindung gebracht wird. Es stimmt zwar, dass autonomes Fahren ohne LiDAR-Sensoren nicht denkbar ist, aber sie haben auch viele andere Anwendungen, die alle Lebensbereiche berühren.
LiDAR-Sensoren werden zum Beispiel in der Landwirtschaft genutzt, wo die Sensoren beim automatisierten und autonomen Manövrieren der landwirtschaftlichen Geräte und Fahrzeuge, der Erkennung von Umgebungsbedingungen und der Verfolgung von Aktivitäten wie Aussaat und Düngung zum Einsatz kommen.
Zudem können LiDAR-Sensoren als entscheidender Teil eines Sicherheits-Ökosystems fungieren, bei dem die Sensoren zur Unterstützung und Ergänzung anderer Sicherheitstechnologien in Anwendungsfällen wie Perimetersicherheit, Regulierung von Eingängen und Kontrollpunkten und Ermöglichung sozialer Distanzierung eingesetzt werden können.
Andere LiDAR-Anwendungen reichen vom Fuhrparkmanagement bis hin zu Smart-City-Anwendungen wie der Reduzierung von Staus in Städten und der Personenzählung und der Steuerung von Menschenmengen.
Dies waren einige der gängigen Missverständnisse und LiDAR-Mythen über die Technologie und ihre Anwendungen. Die Bedeutung von LiDAR-Sensoren für die Zukunft der Technologie ist unbestritten. Und da die Welt in Richtung Automatisierung marschiert, werden LiDAR und seine Anwendungen zweifellos ein regelmäßigerer Teil des Diskurses werden.