Gemessen an Küstenkilometern kann Deutschland zwar mit vielen Nachbarländern nicht mithalten, dennoch erfreuen sich die deutschen Nord- und Ostseestrände reger Beliebtheit. Besonders zu Pandemie-Zeiten, in denen das Reisen ins Ausland mit größerem Aufwand und Unsicherheit als zuvor verbunden war, war der Ansturm auf deutsche Küsten groß. Gerade die Sommer 2020 und 2021 haben so große Menschenmassen an die Küsten gelockt, dass diese kaum noch handzuhaben waren.
Der starke Andrang hat aus mehrerlei Sicht negative Einflüsse. Zum einen stellt die Überfüllung der Strände eine Gefahr für die sensiblen Ökosysteme an der Nordsee dar, so zum Beispiel für das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer. Zudem führt die große Nachfrage nach Erholung an den Nordseestränden zu zugeparkten Straßen, überfüllten Innenstädten und überlaufenen Promenaden – was gerade in den Sommermonaten zu einer starken Belastung für die Einheimischen führt. Auch die Ausflügler:innen und Urlauber:innen selber haben weniger Freude am Erlebnis, wenn sie Handtuch an Handtuch mit anderen Besuchenden liegen oder keine Parkplätze für den Strandbesuch finden.
Auf der Suche nach einer Lösung zur Besucherlenkung
Um dieser Problematik des „Overtourism“ entgegen zu wirken und die Besuchenden an der Nordsee besser lenken zu können, hat sich die touristische Dachmarketingorganisation in Niedersachsen „Die Nordsee GmbH“ auf besonderer Initiative der Wangerland Touristik GmbH nach einer Lösung zur Besucherlenkung umgeschaut. Ziel war dabei, das Aufkommen an verschiedenen Orten im Gesellschaftsgebiet zu erfassen, um bei hoher Auslastung alternative Ziele vorschlagen zu können. „Unsere Vision war eine digitale Datenlieferung in Form von minutengenauen Auslastungsinformationen der Orte an den Gast“, erklärt Tim Schönfeld, Digitalisierungsmanager der Wangerland Touristik GmbH. „Der Gast erhält damit ein einzigartiges innovatives Serviceangebot und kann seinen Urlaub unbeschwert genießen.“ Ziel des Projektes ist, touristische Hotspots zu entzerren und Freizeiteinrichtungen – auch im reizvollen Hinterland – bekannter zu machen und stärker auszulasten.
Um Personen an Orten von hohem touristischem Interesse zu erfassen und die Auslastung visualisieren zu können, musste ein Sensorsystem mit sehr spezifischen Anforderungen her. Die Ausschreibung der Die Nordsee GmbH für die Suche eines geeigneten Lösungsanbieters gewann People Counting Spezialist EvoCount.
Ein Sensorsystem zur anonymen Besuchererfassung
Der Fokus der Projektanforderungen lag auf drei Punkten: Einer datenschutzkonformen Erfassung der Besuchenden in Echtzeit, der Wetterbeständigkeit des Systems und einem großen Erfassungsbereich. „Basierend auf diesen Anforderungen war uns schnell klar, dass wir für das Nordsee-Projekt auf LiDAR-Technologie setzen würden“, so Lukas Baldischwieler, Head of Sales bei EvoCount. „Die Sensorik punktet gegenüber Alternativen wie Kamera-Erfassung klar im Bereich Datenschutz und Wetterbeständigkeit sowie Nutzung bei Nacht.“
Das Thema Datenschutz ist ein besonders prominentes, da das Sensorsystem im öffentlichen Raum, also etwa an Parkplätzen oder Strandpromenaden zum Einsatz kommt. Es ist essentiell, dass die erfassten Informationen keinerlei personenbezogene Daten speichern. Hier haben Kameras den klaren Nachteil, dass sie eben diese Daten erfassen, während aus den LiDAR 3D-Daten keine Rückschlüsse auf Individuen gezogen werden können.
Dem Wetter trotzen
Die nächste Anforderung an das Sensorsystem betraf die Wetterfestigkeit der Geräte. „Das System, das wir an der Nordsee einsetzen, muss sowohl bei Niederschlag und Nebel zuverlässig Daten sammeln, als auch unabhängig von Lichtverhältnissen, also auch bei starker Sonneneinstrahlung oder in der Nacht, einsatzfähig sein,“ so Baldischwieler.
Auch hier macht LiDAR klar das Rennen: Die laserbasierte Technologie ist nicht von Umgebungslicht abhängig und Niederschlag und der häufig an der Küste auftretende Nebel beeinträchtigen LiDAR-Daten ebenfalls deutlich weniger als Kamerabilder.
„Der letzte ausschlaggebende Grund, warum wir auf Blickfeld LiDAR-Sensoren für das Projekt an der Nordsee gesetzt haben, war die Beschaffenheit vieler Standorte“, führt Baldischwieler weiter aus. „Wir haben häufig Durchgänge, zum Beispiel zum Strand, die bis zu fünfzig Meter breit sind – das lässt sich mit Tiefensensoren oder Lichtschranken, die wir sonst häufig einsetzen, nicht mehr abdecken.“ Die Wahl fiel also auf den Blickfeld Cube 1 LiDAR-Sensor, da dieses Modell über ein besonders großes Sichtfeld bei kleiner Baugröße und niedrigem Preis verfügt.
Knapp sechzig Sensoren an acht Standorten zählen Personen und Fahrzeuge
Knapp 60 Sensoren sind nun an acht verschiedenen Standorten installiert. Etwa die Hälfte dieser Sensoren überblickt Parkplätze und Kreuzungen, um über das Fahrzeugaufkommen die Auslastung zu erfassen. Die andere Hälfte der Sensoren zählt Personen am Strand oder auf Promenaden.
Die installierten LiDAR-Sensoren erfassen einen kontinuierlichen Live-Stream an 3D-Daten, worin die zugehörige Perzeptionssoftware Objekte wie Autos, Radfahrer oder Fußgänger detektiert. An strategischen Stellen, wie etwa am Durchgang zum Strandabschnitt und an der Auffahrt zum Parkplatz, werden in der Software so genannte Zählzonen eingerichtet. Erkennt der Algorithmus, dass eine Person oder ein Fahrzeug in diese Zone eintreten, werden diese gezählt. Die so entstandenen Zähldaten werden in EvoCounts Auswertungsplattform EvoEyes eingespeist und können dort von der Dachmarketingorganisation dargestellt, analysiert und für weiterführende Aktionen eingesetzt werden.
Digitale Stelen und Websites helfen bei der Ausflugsplanung
Diese Aktionen sehen an den verschiedenen Standorten an der Nordsee unterschiedlich aus. Manche Orte arbeiten mit digitalen Anzeigeflächen, die Litfaßsäulen ähneln und mit Auslastungsinformationen und Ausflugsvorschlägen bespielt werden können. Für alle Standorte lässt sich zudem auf der Website von Die Nordsee GmbH sowie auf den einzelnen Destinationswebsites die Auslastung abrufen.
„Die Websites geben uns auch den ersten Hinweis darauf, dass das Angebot angenommen wird und das Projekt ein Erfolg ist“, erläutert Baldischwieler. „Die Website-Nutzung ist stark gestiegen, seit die Auslastungsanzeigen online sind. Die Besuchenden informieren sich also im Vorfeld eines Besuchs darüber, mit wie vielen weiteren Menschen sie sich potentiell den Strand teilen müssten.“ Auch die von den Destinationen eingesetzten Gästekarten geben Auskunft über den Erfolg des Projektes. „Die Gemeinden berichten von steigenden Zugriffsraten in den Partnerorten“, so Sonja Janßen, Geschäftsführerin von Die Nordsee GmbH. „Die Urlauber:innen verteilen sich also auf weitere Standorte – die Besucherlenkung funktioniert.“
LiDAR-Technologie für die Zukunftssicherung des deutschen Tourismus
Digitalisierung ist ein wichtiger Faktor, um Destinationen vor der Überfüllung zu bewahren und damit die Umwelt und Einheimische zu schützen sowie den Tourist:innen den Aufenthalt in deutschen Reisezielen so angenehm wie möglich zu machen. Dank der LiDAR-Lösung zur Besucherzählung und -lenkung, ist das möglich.